Treffpunkt Ringbus

Ein Szenario aus dem Jahr 2061 mit den Dimensionen Mobilität und Wohnraum

#Ebersberg, #Familie, #Gemeinschaft & Gesellschaft, #Mobilität, #Verkehr, #Wohnraum

Autor:innen: Bettina // Attraktor:innen: Julia

Wohnraum ist knapp - und teuer. Die Schere zwischen arm und reicht geht immer weiter auf und der Klostersee wird mit Wochenendhäusern zugebaut. Fahrräder haben Vorrang und öffentliche Verkehrsmittel sind gut ausgebaut und günstig.

Wir sitzen alle sieben am Frühstückstisch und ich muss eigentlich gleich zur Schule. Es ist wie immer ein ganz schönes Gewusel, denn wir sitzen dicht zusammen. So groß ist unser Esszimmer gar nicht. Meine Mama muss auch gleich los, denn die Fahrgemeinschaft wartet schon draußen. Sie nimmt mein dreijähriges Geschwisterkind mit und wir anderen fahren alle mit dem Rad zur Schule. Ich muss nur noch schnell meine Schulsachen holen, aber in dem Zimmer, das ich mit zwei meiner Geschwister teile, ist alles runter und drüber. Papa ist der einzige, der noch zuhause bleibt und das Frühstückschaos beseitigt und sich dann ins Homeoffice verzieht. Vorher bringt er noch mein Fahrrad zur Nachbarschaftswerkstatt weil ich gestern einen Platten hatte. Dann habe ich morgen gleich wieder ein perfektes Fahrrad. Toll, dass sich da immer jemand bereit erklärt, diese Werkstatt zu betreiben. Schade, dass ich jetzt in die Schule muss. Sonst hätte ich gerne mitgeholfen. Ein Freund holt mich heute ab und ich kann auf seinem Fahrrad auf dem Gepäckträger mitfahren. Das mit den zwei Schulranzen kriegen wir schon irgendwie hin. Mein Freund nimmt den gerne auch vorne drauf. Außerdem haben wir getestet, dass es besser geht, wenn ich mich auf den Gepäckträger stelle. Da habe ich den besseren Überblick, wer heute alles unterwegs ist. Oh mann, da fährt schon wieder dieser dicke Elektro-SUV. Dass die sich nicht mal ein anderes Auto zulegen. Eigentlich müsste der gerade Fahrverbot haben. Dafür muss der an der nächsten Ampel 10 Minuten warten. Denn Fahrräder haben immer Vorfahrt. Zu den Stoßzeiten, wenn die Schule losgeht und zum Schulende haben Autos eigentlich Fahrverbot. Ich bin immer wieder erstaunt wie super das klappt: Die Erstklässler kommen zu Fuß, die Zweitklässler mit dem Roller und wir mit dem Fahrrad. Und obwohl wir kreuz und quer durcheinander fahren und laufen, passiert nie irgendwas. Wir haben super viel Platz, weil es kaum Autos auf der Straße gibt. Vorne an der Ecke stehen schon meine Freunde und warten auf mich. Ingo sieht heute aber wieder sehr müde aus. Wahrscheinlich hat seine kleine Schwester heute nacht wieder viel geschrien und er konnte nicht schlafen, weil sie sich zu zweit ein 8qm-Zimmer teilen. Jetzt kommen wir an einer Straße vorbei wo viele Häuser leer stehen, wo die Gärten ganz verwildert sind und sich keiner kümmert. Das ist ganz schön ungerecht, denn bei uns ist es so eng. Aber wenn wir dort über den Zaun klettern, gibt es Ärger. Am Ende der Straße wohnt unser Freund Leon. Der hat das Glück, dass er noch mit seiner Familie im Haus der Oma wohnt. Da gibt es sogar einen Pool im Garten und ab und zu dürfen wir da auch hin. 

Nach der Schule können wir zum Schwimmen zum Klostersee fahren. Wir kommen da mit dem Fahrrad hin, aber wenn jemand nicht gut laufen kann, gibt es auch eine elektrische Gondel, die direkt in der Anzinger Siedlung losfährt. Wenn die Leute abends müde sind können sie direkt da einsteigen. Alle, die zum Bahnhof müssen, steigen in den kleinen Shuttlebus, der ist kostenlos und fährt alle 10 Minuten. Meine Oma erzählt immer, dass es am Klostersee früher eine große Liegewiese und Spielplätze gab. Aber jetzt stehen da nur noch Einfamilienhäuser. Aber immerhin noch ein bisschen ein Idyll. Die Häuser stehen ja unter der Woche leer, die gehören ja den Reichen, die nur am Wochenende kommen. Heute können wir wie immer über den Zaun klettern und im Garten spielen und von den Äpfeln naschen, die da am Baum hängen. Hoffentlich ist der Gärtner heute nicht da, um uns zu vertreiben so wie letzte Woche. Die nette Frau, die daneben wohnt, wird uns nicht verraten. Der Rasenroboter stört uns ja nicht beim Spielen. Jetzt schnell noch eine Runde schwimmen gehen, und dann gehe ich über die Weiherkette nach Hause zum Abendessen. Da gibt es einen kleinen Weg durch die ganzen Häuser hindurch. Schön, dass hier noch ein paar Bäume stehen. Irgendjemand hat auch ein Seil hingehängt, an dem wir uns hin und herschwingen können. Wenn ich bei der Eiche am Egglburger See ankomme, kann ich ja den selbstfahrenden Bus nehmen und nach Hause fahren. Heute bin ich ohne Fahrrad, aber selbst, wenn ich es dabei hätte, passt es in den großen Gepäckträger. Das schaffe ich schon alleine. So schwer ist das nicht das Rad da raufzuwuchten. Notfalls würde mir auch der Busbegleiter helfen. Der kennt viele von uns und weiß wo wir aussteigen müssen. Manche von den Busbegleitern sind total lustig und man merkt richtig, dass ihnen der Job Spaß macht. Manchmal sind die öffentlichen Verkehrsmittel richtige Treffpunkte. Es gibt ja auch sonst kaum noch Platz, um sich zu treffen. An Regentagen fahren wir manchmal den ganzen Tag im Kreis herum, bis die Busbegleiter uns rausschmeißen, weil wir zu laut sind. Meine Oma sagt, das konnte sie zu ihrer Jugendzeit nicht machen, denn da gab es kaum Busse in Ebersberg und schon gar keinen Ringverkehr. Dafür hatten sie in ihren Häusern Platz, um sich mit Freunden zu treffen. Wenn sie erzählt, was das alles gekostet hätte, da wird mit ganz bange. Gut, dass das jetzt alles kostenlos ist. 

Zuhause angekommen muss ich erstmal mein nasses Schwimmzeug aufhängen. Und den Rest der Hausaufgaben muss ich leider auch noch machen. Ich glaub wegen Mathe brauch ich noch ein bisschen Hilfe von meinen großen Geschwistern. Ich bin oft traurig, dass die Mama am Abend nicht da ist. Sie hat noch einen zweiten Job angenommen, damit wir uns die Wohnung leisten können. 

Irgendwie ist das unfair bei uns. Manche haben riesengroße Häuser und wohnen da mit wenigen Leuten. Und gerade die Familien, die noch hier geblieben sind, müssen sich enge Wohnungen teilen. Deshalb ist auch meine Freundin in den Sommerferien weggezogen nach Norddeutschland, weil dort ihre Verwandtschaft genügend Platz hat und es billiger ist. Schade, ich vermisse sie sehr. Aber ich kann sie ja gut besuchen, weil häufig ein Zug fährt und wir da als Kinder auch gut alleine mitfahren können.