Open Minded - im Café Zukunft

Ein Szenario aus dem Jahr 2061 mit den Dimensionen soziales Miteinander und Mobilität

#Ebersberg, #Arbeitswelt, #Gemeinschaft & Gesellschaft, #Gesundheit & Ernährung, #Infrastruktur, #Klima & Umwelt, #Mobilität, #Politik, #Schule & Bildung, #Technik, #Verkehr

Autor:innen: Julian, Kai, Thomas // Attraktor:innen: Dorothee

Wäre es nicht schön, wenn man in einer integrativen und inklusiven Gesellschaft leben könnte? In einer Gesellschaft, die offen ist für Neues, in der man Technologie nicht pauschal verteufelt, sondern sie ergebnisoffen prüft und zweckmäßig anwendet? In der die ganze Bevölkerung an der Gestaltung der Gesellschaft und der Umgebung teilhaben kann? In einer Gesellschaft, in der man gemeinsam Zukunft machen kann?

Was ist denn da los? Ein Stau? In Ebersberg? Das hat man noch nicht gesehen! Da stehen doch tatsächlich drei von den autonomen Mini-Bussen direkt hintereinander unter der großen Dattelpalme am Marienplatz!

Charlie geht gerade durch den großen Zentralpark von der Kirche in Richtung Rathaus, als ihr dieses merkwürdige Ereignis auffällt. Die künstliche Intelligenz der Bus-Steuerung verhindert eigentlich, dass zu viele Fahrzeuge am gleichen Ort sind und dann womöglich leer weiterfahren. Als sie näherkommt, stellt sie beruhigt fest, dass alles in bester Ordnung ist. Es sind tatsächlich einige Leute aus jedem der Busse ausgestiegen und sofort steigen auch wieder Leute ein, die dann in die entlegeneren Ecken der Stadt gebracht werden. Heute ist wieder besonders viel hier los, weil viele Mittwoch nachmittags frei haben, um gemeinsame Zeit verbringen zu können. Das ist das schöne, an flexiblen Arbeitszeiten, das auch alle gerne nutzen.

Charlie geht weiter den kleinen Bachlauf entlang, der sich durch den Park schlängelt. Am Rand des Parks haben sich gerade ein paar Leute zum Grillen getroffen, der Solargrill brutzelt schon ein paar Crunchy Bites. Eigentlich sind das ja Insekten, Heuschrecken und Mehlwürmer und so. Aber Crunchy Bites hört sich irgendwie appetitlicher an. Sie winkt Fatim und ihren anderen Freunden zu und verspricht, später nochmal vorbeizukommen. Fatim kommt aus dem Orient und ist erst seit ein paar Wochen hier. Er spricht selbst noch kein Deutsch, aber die kybernetischen Ohrimplantate übersetzen alle Sprachen simultan. Das ist eine große Erleichterung für alle, die nicht so viele Sprachen können. Zwar lernt man schon ab dem Kindergarten Fremdsprachen, aber alle kann man trotzdem nicht. Und die meisten Sprachen lernt man ohnehin, wenn man mit den Menschen gemeinsam lebt, isst und Spaß hat.

Charlie wohnt mit ihrem Papa und ihrem kleinen Bruder Sascha im Schloss. Das ist toll, weil da jeder sein eigenes Zimmer hat und überall gibt es kleinere und größere Gemeinschaftsräume, wo man gemeinsam kochen, essen, spielen, tanzen, reden, lesen kann. Und die vielen Menschen, die aus Ihrer Heimat weg müssen, weil sie überschwemmt, zerstört, vertrocknet oder einfach viel zu heiß ist, finden immer ein Zimmer in einem der Gemeinschaftshäuser. Und dafür kochen sie dann ihre Lieblingsgerichte für jeden, der etwas möchte. Und sie musizieren und tanzen mit den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern. Das macht unglaublichen Spaß, weil man so viel von den verschiedenen Kulturen und Ländern mitbekommt. In Ebersberg gibt es fast nur noch solche Gemeinschaftshäuser, in dem oft auch mehrere Generationen einer Familie wohnen. So kann sich jeder um jeden kümmern und es muss auch niemand allein sein.

Es ist angenehm kühl im Zentralpark. Das viele Grün im Park, an den Hausfassaden und auf den Dächern sorgt dafür, dass die Temperatur hier deutlich unter 30 Grad bleibt, obwohl es in einigen weniger bewachsenen Straßenzügen im Sommer fast immer an die 40 Grad hat. Über allem liegt ein appetitanregendes Gemisch der unterschiedlichsten Essensgerüche, die von den zahlreichen kleinen Restaurants und Food-Trucks ausströmen, die sich eigentlich jeden Tag in der ganzen Stadt verteilen. Man könnte sich das Essen eigentlich auch von den Mini-Drohnen liefern lassen, aber es ist viel schöner, wenn man sich mit den Leuten treffen und gemeinsam essen kann. Da die Food-Trucks fast jeden Tag an anderen Orten in der Stadt stehen, geht Charlie meist nur zum Rathaus und hat dort trotzdem jeden Tag etwas anderes zu Essen. Heute nimmt sie sich ein Falafel-Wrap mit, zahlt mit ihrem ID-Implant und floatet mit dem Hover-Board Richtung Klostersee. In dieser Richtung, den Berg an der Eberhardstraße runter macht das richtig Spaß, Verkehr ist ja auch fast keiner! Am Klostersee trifft sie sich mit ihren Schulfreunden, um gemeinsam ihren Abschluss zu feiern.

Der Klostersee ist das letzte, richtige Gewässer der alten Weiherkette. Alle übrigen Seen sind seit Jahren ausgetrocknet oder verlandet. Aber am Klostersee kann man immer noch schön baden, essen und feiern. Und das machen sie heute auch! Schließlich haben sie 14 großartige Schuljahre hinter sich, in denen sie nicht nur Schulstoff gelernt haben, sondern vor allem haben sie sich und andere auf das „richtige“ Leben vorbereitet. Sie alle bedauern, dass die schöne Schulzeit vorbei ist. In den ersten Jahren wurden sie von den älteren Schülern unterstützt und haben die schulischen Grundfertigkeiten gelernt. Hier konnte schon jeder in seinem Tempo lernen und hat so lange an Themen gearbeitet, bis sie wirklich verstanden wurden. In der Mittelstufe haben alle in den verschiedensten Fächern erfahren, was man auf der Welt alles machen kann, was es so gibt und wie die Dinge zusammenhängen. In der Oberstufe schließlich konnte man seine Interessen und Begabungen voll ausleben und auch praktisch anwenden. Eigentlich war die Oberstufe schon eine Art Berufsausbildung, weil man schon alle wichtigen Dinge über die wahrscheinlichsten künftigen Berufe gelernt hat. Dadurch, dass die jeweiligen Begabungen und Interessen stets nachdrücklich gefördert wurden, kann anschließend jeder in dem Beruf arbeiten, der ihm am besten liegt und auch am meisten Spaß macht. Das erhöht die Zufriedenheit enorm und sorgt dafür, dass die Unternehmen immer hochmotivierte Mitarbeitende haben. Grundsätzlich kann man natürlich trotzdem jederzeit einen anderen Beruf ausüben, wenn man das möchte. In der Praxisphase konnte man trotz Schwerpunkt viele unterschiedliche Tätigkeiten ausprobieren. Das Schulsystem will ja nicht einschränken, sondern Möglichkeiten aufzeigen und entsprechend fördern. Das ist das Schöne an diesem System, man konnte alles ausprobieren und immer wieder etwas Neues lernen. Angefangen von technischen Berufen, bis hin zum Sozial- und Pflegebereich war alles möglich. Umgesetzt wurde das nicht in irgendwelchen theoretischen Kursen, sondern ganz praktisch im Alltag. So mussten sich die Schüler um den Betrieb der PV- und Klimaanlage in den Schulgebäuden und anderen städtischen Einrichtungen kümmern. Dabei wurden sie natürlich von älteren Schülern oder langjährigen Mitarbeitern unterstützt, wenn es nötig war. Oder sie haben Mitschülern mit besonderen Bedürfnissen bei Dingen geholfen, die sie alleine nicht machen konnten. All das war immer begleitet von Lehrkräften, die das entsprechende Hintergrundwissen zur Verfügung stellten und zur rechten Zeit auch die richtigen Fragen stellten, um die Schüler selbst auf die Lösung eines Problems zu schubsen. Ja, die Schulzeit war schon toll. Und jetzt ist das alles vorbei. Charlie und ihre Freunde freuen sich schon auf ihre zukünftigen Berufe. Aber so ein bisschen traurig sind sie schon.

Aber jetzt wird erst mal gefeiert! Seitdem Produkte nach dem Schaden oder Nutzen für die Gesellschaft besteuert werden, ist Alkohol richtig teuer. Gelegentlich leistet man sich zwar ein Bier, aber das ist wirklich die Ausnahme. Schade eigentlich, denn die Ebersberger Schlossbrauerei hat wirklich ausgesprochen leckeres Bier. Sie bauen ihren Hopfen und die Gerste selbst an, dafür haben sie ein paar Felder östlich von Ebersberg. Charlies Lieblingsbier ist der „Sieghart“, ein IPA, das mit Galaxy kaltgehopft ist und ein wunderbar fruchtig-zitroniges Aroma hat. Es ist angenehm herb, nicht zu stark und für den Anlass zum Feiern perfekt geeignet! Auf das Bier hat sie einige Zeit gespart und deshalb freut sie sich besonders darauf.

Nach dem Bier steigen sie dann aber doch auf andere Getränke um, sie wollen ihr Schulabschlussgeld ja nicht komplett auf den Kopf hauen. Und so halten sie sich dann doch eher an die ungesüßten Limonaden und Wasser. Dazu gibt es auch hier immer leckere Sachen und als Nachspeise ein paar CBD-Cookies. Zwar darf man Marihuana nicht rauchen, aber CBD-Sorten wachsen überall und man darf sie für Tees, Gebäck oder als Gewürz frei verwenden. Das ist eben der Vorteil, wenn ein Produkt einen erwiesenen Nutzen für die Gesellschaft hat, da gibt es auch mal was günstig oder umsonst.

Das mit dem gesellschaftlichen Wert ist ohnehin großartig. Die Vereinten Nationen haben mit der Agenda 2040 die Umsetzung der 17 SDGs für alle Länder zur obersten Pflicht gemacht. Seitdem wird jegliches Wirtschaften, das diesen Zielen entgegenwirkt konsequent mit höheren Steuern und Zöllen belegt. Im Umkehrschluss werden beispielsweise Berufe, die dem Gemeinwohl zuträglich sind, besser gestellt und höher vergütet. Daher kann man heute den Beruf ausüben, der einem Spaß macht und man bekommt in jedem Fall ein angemessenes Gehalt. Das gilt für Lehrkräfte ebenso wie für Pflegekräfte oder Kunstschaffende. Ein Zigarrenhersteller hat es da natürlich schwer, aber wer will schon solche stinkenden Stangen in seiner Nähe haben, das braucht kein Mensch.

Nachdem sie noch einige Zeit gefeiert haben, macht Charlie sich langsam wieder auf den Heimweg. Kurz überlegt sie, ob sie mit dem kostenlosen Mini-Shuttle fahren soll, weil das Hover-Board den Berg hoch keine Option ist. Aber nachdem die Nacht so schön ist, spaziert sie einfach gemütlich zurück zum alten Schloss, das Hover-Board wie einen Hund an der Leine hinter sich her ziehend. Nachts wuseln überall kleine Roboter herum und mähen Rasen, kehren die Straße oder transportieren Dinge durch die Stadt. So stören sie niemanden und morgens sieht alles wieder aus, wie neu und die Roboter lassen sich dann mit Solarstrom volllaufen.

Am Marienplatz kommt Charlie noch am Café Zukunft vorbei und sieht, dass da auch noch was los ist. Hier kommt sie oft her, weil hier immer so viele unterschiedliche Leute sind, mit denen man sich unterhalten kann. Ins Café Zukunft geht man nicht MIT anderen Menschen, sondern ZU anderen Menschen, mit denen man neue Ideen austauscht, an Projekten arbeitet oder über Erfahrungen spricht. Naja, und es gibt auch einen „Sieghart“, aber das hatte sie ja heute schon. Trotzdem geht sie rein und sieht sofort Fatim. Ups, den hatte sie ja total vergessen, vor lauter Feiern! Fatim stürmt sofort auf Charlie zu und stellt ihr Ava und Tare vor, die er hier neu kennengelernt hat. Ava ist Fusionskraftingenieurin und Tare baut Häuser aus Biomasse. Fatim ist Pfleger und kümmert sich auch um ältere und kranke Menschen bei Charlie im Schloss und in den nächsten Tagen wird sie Fatim begleiten und unterstützen. Aber heute haben sie noch ein anderes Thema. So läuft das immer hier: Man kommt, trifft neue Leute, spricht über verschiedene Themen und jeder bringt seine eigenen Gedanken und Eindrücke ein. Und am Ende entstehen Dinge, an die jeder einzelne niemals gedacht hätte. Aber in der Gemeinschaft, im Austausch und mit einem offenen Geist, da entsteht Zukunft.